Der 7 Phasen Prozess für die Auswahl eines Webanalyse Systems
Gepostet von Mario am Freitag, September 28, 2012 in Analytics Allgemein | 7 KommentareTrotz der 90/10 Regel in der Webanalyse (90 % Mensch/ 10 % Tool) braucht es dennoch ein gutes Werkzeug für den Webanalysten, um die täglich Arbeit durchführen zu können. In der Regel hat aber nicht nur der Webanalyse Beauftragter, sondern die komplette Organisation Anforderungen an ein solches System und dieses muss bei der Auswahl berücksichtigt werden. Mit einem klar strukturiertem Prozess könnt ihr solche Projekte von Anfang bis Ende sauber über die Bühne bringen. In diesem Artikel stelle ich euch praxisnah einen erprobten Prozess vor, mit dem ihr die nächste Webanalyse Software Einführung erfolgreich durchführen könnt.
Insgesamt teilt sich der hier skizzierte Prozess in 7 Phasen auf:
1. Definition der Anspruchsgruppen
2. Sammlung der Anforderungen
3. Clustering der Anforderungen
4. Definition der “Must Haves” und Erstellung eines “Drehbuchs”
5. Aufbau der “Longlist” und “Shortlist”
6. Präsentation vor Ort/ der eigentliche Pitch
7. Erstellung einer Entscheidungsvorlage
Das Schaubild zeigt diesen “7 Phasen Prozess” noch einmal graphisch.
Nach ein wenig Theorie nun aber ab in die praktische Beschreibung der einzelnen Prozessphasen.
1. Schritt: Definition der Anspruchsgruppen
Im ersten Schritt der Auswahl für ein Webanalyse System müsst ihr erst einmal in eurem Unternehmen identifizieren, wer eigentlich alles Anforderungen an ein Webanalyse System stellt bzw. stellen könnte. In kleineren Unternehmen kann dieses recht schnell geschehen, in mittleren und großen Unternehmen kann dieses aufgrund der internen Strukturen auch schon einmal ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Zudem müsst ihr beachten, dass sich die Anspruchsgruppen in Unternehmen (z. B. durch verschiedene Abteilungsorganisation) bzw. Unternehmens auch noch einmal deutlich voneinander unterscheiden können. Typische Anspruchsgruppen in Unternehmen können z. B. die folgenden sein:
– Geschäftsführung
– Vertrieb
– Marktforschung
– Hosting Betreuer/ Hoster
– Software Entwicklung
– Agenturen
– Redaktionen
– Webanalyst/en
– Datenschutzbeauftragter
– Business Intelligence
Mitunter können alle diese Abteilungen bzw. Mitarbeiter Anforderungen an das System stellen, welches eingeführt werden soll. Falls eure Anspruchsgruppen Teams sind, solltet ihr euch auf jeden Fall jemanden aus diesem Team definieren, der die Anforderungen für das Team stellt und während des ganzen Prozesses vertritt, denn dieses wird innerhalb des gesamten Prozesses Gold wert sein und führt dazu, dass die Diskussionsrunden relativ “schlank” gehalten werden.
2. Schritt: Sammlung der Anforderungen aus den jeweiligen Anspruchsgruppen
Nachdem ihr nun definiert habt, wer eigentlich alles Anforderungen an euer neues Webanalyse System haben könnte, geht es nun daran herauszufinden was die genauen Anforderungen sind. Idealerweise fordert ihr zuerst die definierte Person innerhalb der Abteilung bzw. innerhalb des eigenen Arbeitsbereiches auf, die Anforderungen zu sammeln und diese an euch zu übermitteln. Dieses kann auch erst einmal in Stichworten geschehen, denn nachdem ihr die Anforderungen erhalten habt, solltet ihr diese auch noch einmal mit der Person im 1:1 Gespräch durchsprechen und die Anforderungen etwas weiter ausführen. Dieses Verfahren führt ihr nun für alle Anspruchsgruppen durch und erstellt somit einen (hoffentlich) großen Anforderungskatalog für das neue System. Tipp: Falls eine eurer Anspruchsgruppen keine konkreten Anforderung stellen können, könnt ihr natürlich gerne mit Fragen zu der Nutzung eines Webanalyse Systems oder der Verwendung von Daten ein wenig auf die Sprünge helfen. Wenn alle Stricke reißen und absolut keine Anforderungen aus einer der Anspruchsgruppen bekommt, müsst ihr euch eigene Szenarien für die Anforderungen dieser Person bzw. Abteilung aufstellen.
3. Schritt: Clustering der Anforderungen nach Themengebieten
Nun habt ihr jede Menge Informationen gesammelt, die jetzt erst einmal in eine geordnete Form gebracht werden müssen. Für diese Aufgabe eignet sich am besten eine Excel Tabelle, ein Google Doc oder ein anderes Programm, mit dem man Informationen strukturiert in eine Tabellenform bringen kann. Die folgende Liste gibt euch einen Einblick, in welche Themen ihr beispielsweise eure Anforderungen clustern könnt:
– Metriken (Auflistung aller Metriken, z. B. Conversion Rate, Visits usw.)
– Verwaltung (z. B. Rechte & Rollen)
– Frontend (z. B. notwendige graphische Darstellungen)
– Datenschutz (z. B. Server Standort)
– Technisches (z. B. Plugins für Shopsysteme, technische Anforderungen bei Inhouse System)
– Reporting (z. B. Report Editor, automatisiertes Reporting)
– Export der Daten (z. B. Auflistung der Formate für den Export)
– Flexibilität (z. B. Definition individueller Metriken, Rohdaten)
– Nice to Have (alle möglichen Spielereien, wie z. B. ein Realtime Desktop Widget)
– Kosten auf Basis eines Angebotes
Innerhalb dieser Cluster könnt ihr nun einen kurzen Abriss der Anforderung und eine Langbeschreibung dahinter einfügen. Auf dem Screenshot könnt ihr ein solches Doc im Anriss sehen.
Nachdem nun eine gut geordnete Liste vorliegt wird es langsam aber sich spannend, denn aus dieser höchstwarscheinlich sehr langen Liste, wird im nächsten Schritt eine einsatzfähige Vorlage.
Hinweis: Lasst euch auf jedem Fall zusätzlich zu den Anforderungen von jedem Anbieter ein Angebot unter gleichen Voraussetzungen erstellen!
4. Schritt: Definition der “Must Haves” und Entwicklung eines “Drehbuches”
In diesem Schritt geht es darum die Anforderungen auf die wirklichen “Must Haves” zu reduzieren, eine Basis für Vorauswahl der potenziellen Webanalyse Anbieter (nächster Schritt) zu schaffen und eine feste Vorgabe für die Präsentation (“Drehbuch”) der Anbieter im endgültigen Pitch zu erarbeiten. Um die umfangreiche Liste nun auf eine kleinere eindampfen zu können müsst ihr alle Anspruchsgruppen bzw. die definierten Personen der Anspruchsgruppen wieder zusammenrufen. Euer Ziel für dieses Meeting sollte es sein, dass alle Anspruchgruppen einige “Must Have” Punkte zu dem endgültigen “Drehbuch” beisteuern. Als Vorgabe für die Fülle der Anforderungen solltet ihr ein wenig darauf achten, dass das “Drehbuch” nicht zu umfangreich wird und die Präsentation der Anbieter auf ca. 2 bis 3 Stunden, inklusive möglicher Nachfragen, eingegrenzt ist (bei zu langen Präsentationen schalten Menschen auch gerne einmal ab). Der Screenshot zeigt ein Beispiel für eine solche Liste mit den definierten “Must Haves”.
Der zweite Teil der Arbeit liegt darin ein Punktesystem für die Bewertung zu entwickeln, denn das Drehbuch soll zugleich die strukturierte und vergleichbare Bewertungsgrundlage für die Präsentation der einzelnen Webanalyse Anbieter dienen. Die einfachste Variante ist es eine Bewertung von 1 bis 10 für die einzelnen Anforderungen zu verwenden, aber natürlich könnt ihr hier auch ein wenig kreativ sein und z. B. eine gewichtete Bewertung für die einzelnen Cluster oder “Must Haves” erarbeiten. Der Screenshot zeigt die Anforderungsliste mit einem einfachen integrierten Bewertungs System.
5. Schritt: Erstellung einer “Longlist” und Kürzung auf eine “Shortlist”
Nun geht es darum sich ein wenig im Markt der Webanalyse Anbieter um zu schauen und erst einmal herauszufinden, welche Marktteilnehmer im Webanalyse Markt aktiv sind. Die Liste aller Webanalyse Anbieter wird dann erst einmal eure “Longlist”, die ihr dann anhand eurer “Must Have” Kriterien auf die “Shortlist” kürzen könnt. Eine gute Basis für die “Longlist” bekommt ihr auf der Ideal Observer Seite, welche eine ziemlich umfangreiche Liste der Webanalyse Anbieter darstellt und durch ein Formular mit verschiedenen Kriterien schon einmal eine Vorauswahl ermöglicht.
Auf Basis eurer “Longlist” könnt ihr euch nun daran machen die Liste auf das Nötigste herunter zu kürzen. Also heißt es jetzt auf Basis eurer “Must Have” Kriterien zu recherchieren, welcher Anbieter für euch in Frage kommen. Dieses könnt ihr entweder in den Feature Listen der Webanalyse Anbieter auf deren Website oder doch eher im persönlichen Kontakt durchführen. Nachdem die Informationen vorliegen, könnt ihr euch an das Kürzen der Liste machen bis ca. eine Hand voll Anbieter noch übrig bleiben.
6. Schritt: Die Präsentation vor Ort/ der eigentlich Pitch
Die “Shortlist” steht, jetzt könnt ihr die Anbieter zur Präsentation vor Ort einladen. Schickt den Anbietern hierbei auf jeden Fall vorab euer “Drehbuch” bzw. die komplette Anforderungsliste und erklärt ihnen ganz deutlich, dass die Präsentation genau wie im “Drehbuch” durchgeführt werden und auch nur die “Must Have” Punkte vorgestellt werden sollen. Dieses Vorgehen innerhalb des eigentlichen Pitches sorgt dafür, dass eine geordnete Bewertung der Anspruchsgruppen möglich ist und jeder Anbieter die gleiche Chance für die Präsentation seines Produktes bekommt. Kleiner Tipp: Falls sich ein Anbieter während der Präsentation nicht an euer “Drehbuch” hält, dann scheut nicht davor zurück ihn darauf hinzuweisen, denn schließlich habt ihr den Ablauf des Pitches schon vorab klar kommuniziert. Zum Schluss der Veranstaltung könnt ihr dem Webanalyse Anbieter auch noch einmal den Raum geben ein paar Features vorzustellen, die das vorgestellte Produkt von den anderen Lösungen abhebt. Zudem solltet ihr immer nach einer Entwicklungs Roadmap für mindestens das nächste halbe Jahr fragen. Wenn der Anbieter eure Anforderungsliste bisher noch nicht komplett ausgefüllt hat, könnt ihr ihn auch noch bitten die Liste innerhalb eines bestimmten Zeitraumes auszufülle und an euch zu senden.
7. Schritt: Entscheidungsvorlage erstellen
Nachdem nun der Pitch auch sauber durchgeführt wurde habt ihr alle Informationen Informationen zusammen bzw. im Falle der Bewertungsbögen selbst ausgewertet, um für die nächsthöhere Ebene oder eure Geschäftsführung eine Entscheidungsvorlage vorzubereiten. D. h. ihr dampft jetzt alle gesammelten Informationen auf ein leicht verdauliches Paket zusammen und erstellt eine klare Handlungsanweisung, die aus den vorhergehenden Schritten generiert wurde. Achtet darauf, dass die wichtigsten Erkenntnisse des Auswahlprozesses (z. B. aggregierte Ergebnisse der Bewertung), inklusive der potenziellen finanziellen Aufwendungen für jeden klar ersichtlich sind. Ein Beispiel für eine Folie, die den höheren Eben ganz klar darstellt welches System der Gewinner ist könnt ihr auf dem Screenshot sehen.
Nun muss nur noch die Entscheidung für das Analyse System gefällt werden und dann geht es auch schon in die technische und organisatorische Umsetzung.
Eigentlich ist…
…ein Webanalyse Auswahlprozess ist eigentlich kein Hexenwerk und kann mit einem sauberen Prozess effizient durchgeführt werden. Alleine mit den vorgestellten Methoden solltet ihr ein paar Anreize für den vielleicht demnächst anstehenden Systemwechsel bekommen. Habt ihr noch weitere Anregungen oder Anforderungen zu diesem Prozess oder habt ihr in solchen Projekten eine komplett andere Vorgehensweise?
Geschrieben von Mario Hillmers
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Guter Artikel, detaillierte Übersicht.
Hey Ralf,
danke für Deinen Kommentar und die positive Rückmeldung.
Gruß
Mario
Hallo Mario,
ein gelungener Beitrag.
Nebenbei, danke für die Erwähnung des IdealObservers. Es sind z.Z. 430 Kritierienpunkte, die ich bei den Anbietern abfrage und prüfe.
Was bei meinen Projekten immer wieder dazu kommt, sind mehr Leistungen eines Mediators gefragt, z.B. wenn es um die Kommunikation der Schnittstellen Abteilungsübergreifend und / oder mit externen Dienstleistern geht.
Von der Priorisierung der Aufgaben bei der Auswahl eines geeigneten Webanalytics Tools schätze ich die beiden von mir genannten Aufgaben mit 60-70% ein. Die Toolauswahl nüchtern betrachtet ist dann der „Rest“.
Was sind hier Deine Erfahrungen?
Beste Grüße
Marcus
Hey Marcus,
vielen Dank für Deinen Kommentar und das Lob. Den Observer habe ich gerne erwähnt, weil er einfach eine klasse Übersicht bietet.
Der Auswahlprozess gehört auf jeden Fall noch zu den einfachsten Dingen im Gesamtprozess von der Entscheidung zu einer neuen Webanalyse Lösung, bis hin zur letzendlichen Einführung. Gerade in den Gruppendiskussionen sind immer wieder die Fähigkeites eines Mediators gefordert. Insgesamt werden die Diskussionen aber deutlich schlanker dadurch, dass ein „Head of“ für die jeweilige Abteilung klar definiert wird. Ohne diese klare Definition kann man gut und gerne auch einmal Endlosdiskussionen führen.
Übrigen kommt meines Erachtens auch bei bzw. vor der technischen Einführung noch der Change Prozess dazu, der gerade in größeren Unternehmen mit vielen Anspruchgruppen extrem wichtig ist. Nimmt man nicht jeden mit auf die Reise bei diesem großen Schritt, so wird das Projekt trotz seiner fortgeschrittenen Phase scheitern.
Viele Grüße
Mario
Hallo Mario,
der Link zur Website hat sich verändert. Bitte sei so gut und pflege ihn nach, da man sonst auf eine 404 kommt.
http://www.web-analytics-tools.com/anbieter
Danke Dir!
Beste Grüße
Marcus
Hey Marcus,
schon einmal über eine SEO Beratung nachgedacht? 😉 Ne 301er hätte vielleicht geholfen. Ich ändere den Link aber gerne 😉
Viele Grüße
Mario
Sehr strukturiert! Bieten Sie Ihr know how auch als Dienstleister an? Falls ja, freue ich mich über eine Kontaktaufnahme per Mail an mail@iplo.de!